Früher Stress und spätes Leid- was Ihre ersten Jahre mit Schmerzen und chron. Erkrankungen zu tun haben

Haben Sie eine chronische Erkrankung oder ein Schmerzsyndrom?

Leiden Sie unter einer Herz-Kreislauf-Erkrankung, Rheuma, Morbus Crohn, Asthma, Fibromyalgie, Organerkrankungen oder Tumoren…? Dann bedeuten diese wissenschaftlichen Erkenntnisse für Sie vielleicht eine Chance für eine zukünftige positive gesundheitliche Entwicklung!

Denn Forschungsergebnisse zeigen, dass belastende, stressende und traumatisierende Erfahrungen in der frühen Kindheit im Erwachsenenalter zu chronischen Erkrankungen, Schmerzsyndromen und unklaren Beschwerden führen können. 

Der Forschungszweig der Psychoneuroimmunologie hat klare Belege dafür, dass negative Erfahrungen im Mutterleib und in den ersten Lebensjahren für viele Menschen das Risiko steigern, als Erwachsene an chronischen Erkrankungen und Schmerzsyndromen zu leiden. Und dabei zeigt sich deutlich, dass das Risiko, zu erkranken, umso größer ist, je schlimmer und belastender die Kindheitserlebnisse waren.

Welche Faktoren Stress und Traumata in der frühen Kindheit verursachen

Zu den wichtigsten und häufigsten hochbelastenden Lebensumständen und Erlebnissen während der frühen Kindheit und im Mutterleib gehören:

  • Bindungsstörungen
  • massiver Stress und Ängste der werdenden Mutter
  • Körperliche Gewalt
  • Emotionale Misshandlung und Vernachlässigung
  • Sexueller Missbrauch
  • Drogenabhängigkeit der Eltern
  • Gewalt zwischen den Eltern
  • Psychische Erkrankung eines Elternteils
  • stark instabile soziale und wirtschaftliche Verhältnisse der Eltern
  • Kriminalität der Eltern…

Die Verbindung zwischen Psyche und Immunsystem beginnt bereits im Mutterleib

Experten aus dem Bereich der Psychoneuroimmunologie beschreiben ein neues „biopsychosoziales Paradigma“, das die psychischen Prozesse als komplexer und mächtiger als das Immunsystem betrachtet. Wenn ein Kind vor oder nach der Geburt immer wieder oder durchgehend aufgrund ungünstiger Lebensbedingungen unter Stress leidet, verändert sich sein Stresshormon-Regulationssystem auf Dauer. In der Folge erkranken die Betroffenen häufiger an Viruserkrankungen als andere und die in unserem Körper immer wieder entstehenden Tumorzellen können nicht effektiv bekämpft werden. Allergien und Wundheilungsstörungen treten häufiger auf und chronische Entzündungen entstehen. Der Körper schüttet als Reaktion darauf vermehrt Kortisol aus, was dann am Ende zu einer Erschöpfung des permanent überaktivierten Immunsystems führt. Dann können die Betroffenen auch in Situationen, in denen dies nötig wäre, nicht mehr genug Kortisol ausschütten, was die chronischen Entzündungen verstärken und aufrechterhalten kann.

Auch Schäden am Erbgut entstehen durch frühen Stress

Traumatisierende Lebensereignisse und dauerhafter Stress in den ersten Lebensjahren können sogar das Erbgut verändern. Zum Einen weist ein Stress-Gen (FKBP5) Veränderungen auf, zum Anderen verkürzen sich die Telomere in den Chromosomen. Telomere sind eine Art kleine Schutzkappen für die Chromosomen, die im Laufe unseres Lebens auf natürliche Weise schrumpfen. Wenn sie aufgebraucht sind, erhöht sich das Risiko für bestimmte Erkrankungen. Untersuchungen konnten zeigen, dass zB. bei Kindern mit frühen Gewalterfahrungen die Telomere bereits unnormal verkürzt waren. Auf diese Weise kommt es dazu, dass negative Einflüsse der frühen Kindheit auch noch viele Jahre und Jahrzehnte später im Körper wirksam bleiben und zu chronischen und schweren Erkrankungen führen können.

Bindungsstörungen und Schmerzen – was sie verbindet

Eine kalifornische Forscherin hat im Gehirn eine Region identifiziert, die auf Ablehnung und Ausgrenzung genauso reagiert, wie auf Schmerzreize zB. nach einer Verletzung. Das bedeutet, dass die seelische Verletzung, die durch bindungsproblematische Eltern entsteht, genauso verarbeitet und empfunden wird, wie körperlicher realer Schmerz. Da in den frühen Jahren das Gehirn noch so extrem plastisch ist, kann dies zu einer dauerhaften Verknüpfung führen. Seelischer Stress und Schmerz wird dann stets zum körperlichen Schmerz. Hinzu kommt, dass sich das Schmerzempfinden dadurch verändert, dass Stress und Schmerz in den gleichen Hirnarealen verarbeitet werden. Früh traumatisierte und gestresste Menschen empfinden deshalb sehr viel leichter Schmerz als andere. Das Bindungshormon Oxytocin wird ebenfalls durch frühe Bindungsstörungen beeinflusst. Dieses Kuschelhormon lindert Schmerzen – und das Gehirn von Menschen mit Bindungsstörungen schüttet nachweislich weniger Oxytocin aus.

Stressfaktoren und Traumata der ersten Lebensjahre sind also nicht nur „alte Geschichten“

Alle diese Forschungsergebnisse und wissenschaftlichen Erkenntnisse zeigen, dass auch ganz frühe negative Lebensereignisse ihre Wirkung noch an jedem einzelnen Tag unseres weiteren Lebens behalten. Es muss nicht zwingend zu ernsthaften Erkrankungen oder chronischen Beschwerden und Beeinträchtigungen kommen. Aber die Wahrscheinlichkeit ist sehr hoch und steigt mit jedem Lebenstag. Und das unabhängig davon, ob Sie im weiteren Verlauf Ihres Lebens in wirklich guten Verhältnissen leben. Amerikanische Forschungsergebnisse zeigen nämlich, dass dies keine wesentliche Rolle spielt. Die Herkunft bzw. die frühe Kindheit sind die wichtigen krankheitsauslösenden bzw. krankheitsfördernden Faktoren.

Was Sie tun können

Obwohl alle diese Erkenntnisse aus dem medizinisch-wissenschaftlichen Bereich kommen, finden Sie bisher keinen oder kaum Niederschlag in der schulmedizinischen Behandlung chronischer Erkrankungen und Schmerzsyndrome. Es würde ja unglaublich viel Sinn machen, dann regelmäßig die schulmedizinischen mit psychotherapeutischen Behandlungsmethoden miteinander zu einer ganzheitlichen Behandlung zu kombinieren. Bisher gibt es aber lediglich einzelne den Forschungsergebnissen entsprechend sinnvoll kombinierte Ansätze, die sowohl ambulant, als auch stationär erprobt wurden. Und beide Varianten zeigten große Effekte und Erfolge in der Therapie.

Wenn Sie also glauben, dass Ihre frühe Kindheit etwas mit Ihren aktuellen chronischen Erkrankungen oder Schmerzen zu tun haben könnte, dann nehmen sie die Dinge selbst in die Hand! 

In meinen Therapien starte ich – bis auf wenige Ausnahmen –  ohnehin immer mit ausführlicher Biographiearbeit. Vielleicht erschließt sich Ihnen nach dem Lesen dieses Beitrages nun noch mehr der Sinn dieses Vorgehens. Trauen Sie sich und starten Sie eine Psycho-Therapie parallel zur medizinischen Behandlung und gehen Sie so sozusagen die Wurzel des Übels an.  Es lohnt sich!