Erfahrungsbericht Traumatherapie

Odyssee der Therapien – oder wie ich nach Jahren die richtige Therapeutin fand

„Frau L., Sie sind so schwer chronisch erkrankt, ich glaube nicht, dass Ihnen eine ambulante Psychotherapie helfen kann. Glauben Sie nicht auch, es ist sinnvoller, wenn Sie einmal im Jahr eine tagesklinische Behandlung zur Stabilisierung in Anspruch nehmen?“

Wow…so einen Vorschlag musste ich erstmal verdauen. Da saß mir eine wildfremde Frau gegenüber, die nach 40 Minuten glaubte, zutreffend über mich urteilen zu können. Die letzten 10 Minuten des Gespräches nutzte ich also, um der Therapeutin zu erklären, aus welchem Grund ich ihr nicht zustimmte und weiterhin eine ambulante Therapie beginnen wollte. Fazit dieses psychologischen Beratungsgespräches war, dass mir die Therapeutin „nur mit Bauchweh“ eine Bescheinigung für die Krankenkasse ausstellte, in der sie eine kognitive Verhaltenstherapie empfahl.

So weit, so gut.

Allerdings war dies eine Begegnung mit nachhaltiger Schlagkraft. Ich begann tatsächlich an meiner Therapiefähigkeit zweifeln. Ich glaubte, ich sei das Problem und kein Psychotherapeut der Welt könne mir helfen, solange ich unfähig bliebe, besprochene Verhaltensänderungen in die Tat umzusetzen, oder in Worte zu fassen, was mich wirklich bewegt.

Heute, eineinhalb Jahre nach dem Kennenlernen von Carolyn mit ihren Tieren kann ich mit einem Lächeln auf den Lippen und voller Zuversicht sagen: weder ich, noch meine (an den Haaren herbeigezogene) fehlende Therapiefähigkeit waren das Problem. Vielmehr waren die einseitige Behandlungsmethode und mangelnde Kenntnis verschiedener Therapeuten über frühkindliche Traumatisierungen das Problem.

Seitdem ich bei Carolyn in traumatherapeutischer Behandlung bin, hat sich mein Leben trotz einiger weiterer Krisen zum Positiven gewendet. Und das, obwohl sie mich zum Teil mit Aufgaben konfrontiert, die ich in meinen vorherigen Therapien noch nie lösen konnte. Die Kombination verschiedener Behandlungsmethoden, die treue Unterstützung der vierbeinigen Co-Therapeuten, die naturnahe Umgebung und nicht zuletzt Carolyns wertschätzende, ehrliche und einfühlsame Art verhelfen mir tatsächlich zu einem persönlichen Wachstum, von dem zu träumen ich nie gewagt hätte.

Und was genau ist jetzt anders? Was macht die Therapie bei Carolyn so besonders? Um Euch diese Fragen beantworten zu können, möchte ich euch einen kleinen Einblick in 14 Jahre erfolglose Therapie gewähren.

Eintritt ins Labyrinth kassenärztlicher Psychotherapien

In all den Jahren kamen vier ambulante, fünf tagesklinische und vier stationäre Therapien zusammen. Zusätzlich nahm ich an zwei stationären Rehamassnahmen teil. Man könnte fast meinen, ich sammele mit Leidenschaft Therapieerfahrungen. Meine erste ambulante Psychotherapie begann ich halbwegs zuversichtlich. Immerhin hatte mir mein damaliger Schwiegervater in spe dazu geraten. Er fand meine psychische Konstitution sehr besorgniserregend. Für mich war dieser Zustand normal, ich hatte keine Vorstellung von einem vermeintlich besseren Zustand, wollte ihm jedoch die Sorge nehmen und daran arbeiten.

Anstatt Hilfe zu bekommen wurde ich in meiner Annahme über mich selbst noch bestätigt. Die Therapeutin missinterpretierte einige meiner Aussagen und traf daraufhin den Entschluss, mich zu beruhigen, indem sie mir erklärte, alles sei „halb so wild“ und gar nicht so krankhaft oder verrückt, wie ich befürchtete. Nach mehreren Sitzungen, in denen ich mich unverstanden und nicht ernst genommen fühlte, brach ich die Therapie ab. Meine Schlussfolgerungen aus Therapie Nr.1: Übertreib mal nicht so, so schlimm ist das doch alles gar nicht, anderen geht es viel schlechter als dir, überlasse den Therapieplatz lieber jemandem, der ihn auch zu nutzen weiß.

Intrusion oder Wahn? (oder: Verloren im Diagnosedschungel)

Ich bin noch vielen weiteren Psychotherapeuten und Fachärzten begegnet, die meine Aussagen missinterpretierten und auf Grundlage dieser Fehlannahmen falsche Diagnosen und unpassende Therapiepläne er-/stellten. Anfangs spürte ich immer, wenn mein Gegenüber keine oder unzureichende Kenntnis über komplexe Traumatisierungen hatte und deshalb meine Aussagen zur Fehldiagnose passend interpretierte. Dieses Gespür konnte ich nie in Worte fassen, es war immer ein diffuses Störgefühl, von dem ich nicht ahnte, welchen Ursprung es hatte.

Da gab es zum Beispiel eine Ärztin, der ich im Vorgespräch für eine stationäre Aufnahme die Frage, ob ich mich manchmal beobachtet fühlte, wahrheitsgemäß mit JA beantwortete. Wenn man diese Antwort im passenden Kontext betrachtete, war es ein Leichtes, dieses Symptom in Zusammenhang zu meinen traumatischen Erfahrungen zu bringen. Es war eine Intrusion, die ich nicht als solche erkannte, weil mir schlichtweg das Wissen über meine Erkrankung fehlte und ich mich an keine Zeit erinnern konnte, in der es nicht zu Situationen des sich – beobachtet – Fühlens kam. Die Ärztin deutete meine Erläuterung als Wahn, diagnostizierte eine wahnhafte Depression und riet mir zu einer medikamentösen Behandlung. Eine Traumatherapie könne sie mir unter diesen Umständen leider nicht anbieten.

Mittäterschaft durch Borniertheit (oder: gefangen im System…mir fällt keine weniger provokante, diplomatische Überschrift ein)

Je mehr inkompetente Menschen mir in den vielen Jahren der Irrwege durchs deutsche psychotherapeutische Gesundheitssystem begegneten, desto unsicherer wurde ich. Zweifel an meinem Verstand und Erinnerungsvermögen hatte ich schon immer und mit jeder Fehlinformation sogenannter Fachleute wuchsen sie. Anstatt mir zu helfen, endlich ein gewaltfreies und selbstbestimmtes Leben zu führen, hielt man mich dazu an, unangenehme Situationen auszuhalten, ohne zu berücksichtigen, dass ich eine Meisterin des Aushaltens war. Man erklärte mir, ich könne meine Angst nur dann besiegen, wenn ich mich den angstauslösenden Situationen stellte und so lange in der Situation verbliebe, bis die Angst nachließe.

Im Rahmen von alten (mittlerweile unbegründeten) Ängsten mag dieses Vorgehen durchaus zum Erfolg führen. In meinem Fall befand ich mich jedoch weiterhin in realer Gefahr und meine Ängste waren ein gesunder und selbsterhaltender Instinkt. Meine Selbstzweifel waren jedoch groß genug, ich misstraute meinem Gefühl und glaubte den „Fachleuten“. Ich wurde von Jahr zu Jahr depressiver, unterwürfiger, selbstzerstörerischer und manipulierbarer. Dadurch wurde ich weiter an die Täter gebunden und der Albtraum schien nie ein Ende zu nehmen.

Negative Grundannahmen

So nahm ich aus jeder Therapie oder Begegnung mit Ärzten und Gutachtern eine weitere Fehlannahme über mich selbst mit nach Hause. Es manifestierten sich Überzeugungen wie: Ich stelle mich an… ich arbeite nicht adäquat mit…ich halte mich nie an Regeln…ich werde niemals Hilfe bekommen…ich denke nur an mich…ich bin selbst Schuld…ich gehöre nicht in diese Welt…und viele weitere mehr. Alles Überzeugungen, die mir während meiner Kindheit durch die Täter eingeimpft wurden, die sich nun bestätigten und weiter festigten.

High noon

Im Frühjahr 2020 ging es mir nach der Trennung von meiner Partnerin sehr schlecht. Ich hatte die Hoffnung schon aufgegeben, jemals ein erträgliches Leben führen zu können und wäre eigentlich lieber tot gewesen. Da ich meine stationäre Behandlung nach sieben Tagen der Unterbringungen als zweite, zugeschobene Patientin in einem Überwachungszimmer abbrach und nicht wusste, wie ich die Wartezeit bis zu einer tagesklinischen Behandlung überbrücken sollte, wurde ich täglich von einem ambulanten psychiatrischen Pflegedienst betreut. Meine Bezugspflegekraft erwies sich leider als überheblich und grenzüberschreitend.

Anstatt mir die Unterstützung zu bieten, die ich benötigte, war eines ihrer größten Anliegen, meine Ernährungsgewohnheiten auf den Prüfstand zu stellen. Ihr Fokus lag dabei auf meiner Nutzung von Süßstoff im Kaffee und führte zu stundenlangen Monologen über die Schädlichkeit verschiedener Süßungsmittel. Ich hatte einfach nicht den Mut und die Kraft, mich gegen diese Belehrungen zur Wehr zu setzen und so begann ich tatsächlich, meinen Kaffee heimlich mit Süßstoff zu süßen. (Dazu möchte ich kurz anmerken, dass ich selbst examinierte Gesundheits – und Krankenpflegerin mit einer Zusatzausbildung zur Ernährungsberaterin bin. Mir ist die schädliche Wirkung des Verzehrs von chemischen Süßungsmitteln durchaus auch ohne diese Belehrungen bekannt gewesen.)

Meine damalige Therapeutin zweifelte an der Vollständigkeit meiner Erzählung über einen Flashback. Sie war fest davon überzeugt, ich erzählte ihr nicht „die ganze Geschichte“ und begründete diesen Verdacht mit meinem fehlenden Vertrauen. Stimmt, ich vertraute ihr tatsächlich nie. Ihre Vorstellung eines Flahbacks hingegen widersprach jeder wissenschaftlichen Definition. Es ist nun einmal charakteristisch für einen Flashback, dass er eben keine vollständigen oder chronologisch sortierten Erinnerungen preisgibt. Diese Sitzung führte bei mir zu dem Entschluss, die Therapie beenden zu wollen. Die wöchentlichen Termine halfen mir nicht, im Gegenteil.

Also stand ich vor der Wahl: Ich gebe auf, nach Hilfe zu suchen und ergebe mich meinem Schicksal, ich setze meine Suizidpläne in die Tat um oder ich folge dem Rat einer Freundin und kontaktieren die mir von ihr empfohlene Therapeutin, Carolyn Brands. Zunächst studierte ich die Homepage von sensus Therapie und diskutierte die möglichen Vor – und Nachteile einer weiteren Therapie mit mir. Da Carolyn gemeinsam mit ihren Tieren verschiedene Behandlungsmethoden anbietet, die ich noch nicht kannte und weil mich die Impressionen der Praxis auf Anhieb ansprachen, vereinbarte ich ein erstes Kennenlerngespräch.

Kennenlerngespräch bei Carolyn

Am 20.7.2020 war es also so weit, ich hatte mein Kennenlerngespräch bei Carolyn. Ich war selbst überrascht von meinem „Mut-Ausbruch“, einen Termin vereinbart zu haben und war meiner Freundin sehr dankbar, als sie mir anbot, mich zu dem Treffen zu begleiten. Kurz vorher habe ich eine so große Angst verspürt, dass ich lieber abgesagt hätte. Da ich jedoch schon mit meiner Freundin vereinbart hatte, sie Zuhause abzuholen, um von dort zu Carolyn zu fahren, beließ ich es dabei. Ich hatte mich dazu entschieden, meinem Leben ein Ende zu setzen, wenn auch dieser Versuch, Unterstützung zu erhalten, scheiterte. Weil ich fürchtete, wieder keine Hilfe zu bekommen, wollte ich dem Ganzen lieber aus dem Weg gehen. Tief in mir gab es einen Anteil, der leben wollte und der zeitgleich davon ausging, dass es unmöglich war, Hilfe durch einen anderen Menschen zu erhalten.

Als Carolyn die Tür öffnete, wäre ich am liebsten unsichtbar geworden. Ich hatte riesige Angst davor, dass sie mich entweder für einen hoffnungslosen Fall hält, oder ganz im Gegenteil gelangweilt von meiner Lebensgeschichte ist (immerhin glaubte ich zu dem Zeitpunkt noch, ist stellte mich nur an und war eine austherapierte „Drama – Queen“). Als sie im Laufe des Gespräches fragte, warum ich trotz der Anbindung an eine ambulante Therapie auf der Suche nach einer neuen Therapeutin war, war mein erster Gedanke: Carolyn hat kein Interesse, mich als Patientin zu behandeln und möchte den freien Therapieplatz lieber an jemand vergeben, mit dem sich die Arbeit auch lohnt. Als ich ihre Frage leise und unsicher beantwortete, gab sie mir Zuspruch und recht mit meinem Unbehagen.

Ich war so unfassbar irritiert über diese wohlwollende und positive Reaktion, dass ich gar nicht wusste, wie ich sie einordnen sollte. Am Ende dieses ersten Gespräches vereinbarten wir unseren nächsten Termin. Ich war neugierig geworden. Gab es da wirklich einen Menschen, der an mir interessiert war und mehr in mir sah, als eine reine Fehl- Diagnose? Das herauszufinden war für mich ausreichend Motivation, eine Zusammenarbeit mit Carolyn zu wagen.

Vom Trauma Therapie zur Traumatherapie

Während der ersten Sitzungen bei Carolyn war ich immer sehr angespannt. Die Angst, etwas Falsches zu sagen, wieder missverstanden, oder sogar abgelehnt zu werden, war sehr groß. Das spürten auch Carolyn, Manou und Elisa. Carolyn sprach dieses Problem nur kurz an und versprach mir, wir würden uns zunächst darum kümmern, dass ich mich in ihrer Praxis wohlfühlen konnte. Sie gab mir die Zeit, anzukommen, die ich benötigte und ging feinfühlig auf meine Ängste ein. Sie fragte nicht nach dem Warum und sie verzichtete auch auf jegliche Floskeln, die ich nur zu gut kannte. Das war eine riesige Erleichterung für mich, ich hätte zu diesem Zeitpunkt nämlich überhaupt nicht sagen können, warum ich fühlte, was ich nun einmal fühlte.

Manou saß während dieser Sitzungen immer sehr nah bei mir und brachte mir zur Begrüßung regelmäßig eines seiner Spielzeuge. Auch Elisa kümmerte sich rührend um mich, indem sie auf meinem Schoß, oder in Augenhöhe auf dem Tisch saß. Durch die Zuwendung der beiden fing ich an, infrage zu stellen, ob ich mich wirklich nur anstellte. Ich hatte in der Vergangenheit gelernt, dass Tiere immer authentisch sind. Warum also sollten die beiden sich um mich kümmern und mich trösten, wenn ich alles unnötig dramatisierte? Das gab mir eine gewisse Sicherheit und bot mir einen Rahmen, der es mir ermöglichte, Carolyns Fragen zu beantworten und mit ihr ins Gespräch zu kommen.

Von Mal zu Mal fiel es mir leichter, mich ins Auto zu setzen und Termine bei ihr wahrzunehmen. Ich verspürte sogar nach für mich sehr kurzer Zeit so etwas wie Freude, wenn ich mich auf den Weg zur Praxis machte. Ein Gefühl, dass ich im Zusammenhang mit anderen Menschen noch nie verspürt hatte. Zum ersten Mal in meinem Leben gab es da jemanden, der mich in meiner Gesamtheit ernst nahm, wertschätzte und mich nicht unter Druck setzte. Beim Schreiben dieser Zeilen fließen heute noch ein paar Tränen der Rührung über meine Wangen. Es ging also wirklich, es gab einen Menschen, der mir helfen wollte und der die Schönheit meiner Seele für mich wiederfand.

Vertrauen entsteht – die Grundlage der Aufarbeitung

Als ich begann, mich in der Praxis wohlzufühlen, war dies der Anfang meiner Suche nach mir selbst. Vor der Therapie bei Carolyn konnte ich Fragen nach meiner Kindheit kaum beantworten, hatte jedoch immer einige „Geschichten“ parat, um die Erwartungen meines Gegenübers zu erfüllen. Bei Carolyn war es nicht schlimm, zuzugeben, dass ich bestimmte Fragen nicht beantworten konnte. So kam es zum Beispiel während der Anamnese (mir fällt das deutsche Wort einfach nicht mehr ein) dazu, dass ich ihr verschiedene Fragen nicht beantworten konnte. In früheren Therapien hatte ich die Erfahrung gemacht, dass meine Unfähigkeit, zu antworten, als Weigerung der Mitarbeit und Misstrauen interpretiert wurde. Sätze wie „Sie müssen doch wissen, wie Ihre Kindheit war, Sie waren doch dabei“, „Sie müssen mir schon einen Vertrauensvorschuss geben, wenn ich Ihnen helfen soll“ und „Nur sprechenden Menschen kann geholfen werden“ suchte ich bei Carolyn vergebens. Ihre Reaktion auf mein fehlendes Erinnerungsvermögen war „Oh, dann muss in der Zeit etwas ganz Schlimmes passiert sein, sonst könntest du dich zumindest an einzelne Ereignisse erinnern“.

Wie recht sie damit hatte. Keine vier Monate nach unserem ersten Termin begann sich meine dissoziative Amnesie in kleinen Schritten zu lösen. Mein Gott, hatte ich vielleicht Panik vor dem, was als nächstes passieren würde. Rückblickend betrachtet war es das Beste, was mir jemals passiert ist. Carolyn versprach mir in jeder Sitzung, sie würde mich erst nach Hause schicken, wenn sie sich sicher war, dass ich stabil genug war, um nach Hause zu fahren, auch dann, wenn die Sitzung dadurch ein wenig „überzogen“ werde. Außerdem ermutigte sie mich immer wieder, ihr auch zwischen den Sitzungen zu schreiben, wenn ich mit aufkommenden Symptomen überfordert war. Diese Angebote in Anspruch zu nehmen, musste ich zunächst einmal mit „harmlosen“ Themen üben, schließlich war es das Gegenteil von dem, was ich in 14 Jahren Therapie gelernt hatte. Die Erfahrung, dass Carolyn jedes ihrer Versprechen einhielt und tatsächlich kontinuierlich für mich erreichbar war, führte dazu, dass ich begann, ihr zu vertrauen und mein Gehirn neue Flashbacks preisgab.

Aufbau äußerer Sicherheit

Nach und nach wurde mir bewusst, dass meine Geschichte des Missbrauch weitreichender war, als ich es bis zum Oktober 2020 erinnerte. plötzlich sah ich mich mit weiteren Tätern konfrontiert und erkannte, dass ich immer noch engen Täterkontakt pflegte. Ich war hin – und hergerissen. Zum Einen durfte das doch alles nicht wahr sein. Wie konnte meine Mutter plötzlich Haupttäterin sein? Alte Zweifel kehrten zurück. Ist das wirklich alles so passiert? Was ist, wenn ich mich falsch erinnere? Bilde ich mir das Ganze vielleicht nur ein? Stelle ich mich nur an? Zum Anderen begann es endlich einen Sinn zu ergeben. Warum sonst ging es mir nach Kontakten zu meiner Mutter immer besonders schlecht? Und warum sonst sollte mein Körper alte Schmerzen preisgeben, für die es keine organische Ursache gab?

Carolyn ermutigte mich immer und immer wieder, meine Bauchgefühl zu vertrauen und mir zuzuhören, dann würde sich die Antwort automatisch einstellen. Sie hatte, weder zum ersten, noch zum letzten Mal, Recht. All die Erinnerungen konnten kein „Hirngespinst“ einer „armen Irren“ sein. Es fühlte sich echt an, ganz anders, als alles, was ich zuvor über meine Vergangenheit zu wissen glaubte. Im Gegensatz zu früher hatte ich plötzlich das Gefühl, einen Platz in dieser Welt verdient zu haben. Diese neue Sichtweise auf meine Existenz gab mir die Kraft und den Mut, Ende November 2020 alle Kontakte zum Täterkreis abzubrechen.

Den Tätern gefiel diese Entwicklung natürlich überhaupt nicht und so versuchten sie, mich mit verschiedenen Methoden zurück in den „Kreis der Familie“ zu holen. Durch die beständige Erreichbarkeit von Carolyn und dem daraus resultierenden Wissen, nicht alleine zu sein, gelang es mir, jedem einzelnen Versuch standzuhalten. Vielmehr noch, ich verkaufte meine Eigentumswohnung und zog im August 2021 in eine neue Stadt.

Wendepunkt

Da saß ich nun also in einer anderen, mir fremden Stadt. Zwischenzeitlich hatte ich aufgrund zahlreicher Dissoziationen und ungeeigneter Arbeitsbedingungen meinen 450-Euro-Job verloren und mit ihm mein bisheriges soziales Umfeld. Ich könnte jetzt stundenlang beleuchten, aus welchem Grund die Arbeitsbedingungen schlecht waren, warum ich so häufig dissoziierte und warum mein soziales Umfeld sich auf meinen Arbeitsplatz beschränkte, das würde jedoch hier den Rahmen sprengen und ginge etwas am Thema vorbei. Ich möchte es insgesamt jedoch nicht verschweigen, weil es einen großen Einfluss auf meine Wahrnehmung der Außenwelt hatte.

Fasse ich also noch einmal kurz zusammen: Da saß ich nun also in einer fremden Stadt, ohne Job und ohne soziales Umfeld. Freude über meine neu gewonnene Freiheit wollte sich in diesem Zusammenhang erst einmal überhaupt nicht einstellen. Ganz im Gegenteil war mein Alltag geprägt von alten Schuldgefühlen, selbstzerstörerischen Gedanken und einer tiefen Hoffnungslosigkeit. Carolyn ließ in dieser besonderen Zeit nicht locker und hielt mich immer wieder an, mir meine selbstzerstörerischen Gedanken und Verhaltensweisen bewusst zu machen und Ihnen Einhalt gebieten zu können. Dies gelang ihr, indem sie mich zu jeder Zeit ernst nahm und mir vermittelte, dass ich stark genug war, um diesem Hinsehen gewachsen zu sein. Bei anderen Therapeuten hatte ich die Erfahrung gemacht, dass diese zutiefst erschütternden Einblicke in mein Innerstes als krankhaft angesehen wurde und alles daran gesetzt werden musste, diese krankhaften Anteile zu eliminieren.

Carolyn gab diesen Anteilen den Raum, den sie verdient hatten. Sie brachte mir bei, dass auch diese Gedanken, Gefühle und Verhaltenseisen ihren Ursprung hatten. Es war die Art der Täter, über mich zu denken und sich mir gegenüber zu verhalten. Da ich als Kind von den Tätern abhängig war und keine Alternative geboten bekam, hatte ich keine andere Möglichkeit, als die Sichtweise der Täter über mich selbst zu übernehmen. In diesem Zusammenhang ermutigte sie mich immer wieder, den täterloyalen Stimmen in meinem Kopf keine Macht mehr über mein Leben zu geben. Ich wollte doch endlich ein freies Leben führen und gut zu mir sein. Trotzdem gab es tief in mir drin etwas, das mir jeden Tag vorwarf, ich hätte alles zerstört, was ich mir zuvor mühsam aufgebaut hatte. Der Wunsch, wieder Täterkontakt aufzunehmen, mich für alles zu entschuldigen, in der Hoffnung wieder in den Kreis der Familie aufgenommen zu werden, war allgegenwärtig und hielt mich in meinem Alltag lange Zeit davon ab, meine neuen Wohnung zu Ende zu renovieren, mir einen neuen Job zu suchen oder mich darüber zu informieren, welche Möglichkeiten es für mich gab, neue Menschen kennenzulernen.

Rückblickend betrachtet habe ich Carolyn vielleicht das ein oder andere Mal an den Rand der Verzweiflung gebracht, wenn ich alle Argumente, die sie nutzte, um mich zu stärken, mit wenigen Sätzen nieder machte. Chapeau, auch da hat sie nicht das Handtuch geworfen, ist an meiner Seite geblieben und hat nach Lösungen für dieses tiefgreifende Problem gesucht. Sie hat die Lösungen nicht nur gesucht, nein, sie hat sie auch für mich gefunden!

Sabrina 2.0

Mit der Zeit gelang es mir immer öfter, nicht zu dissoziieren und schmerzhafte Gefühle und Gedanken zuzulassen. Ich fing wieder damit an, mir zuzuhören und Signale meines Körpers und meiner Seele nicht einfach zu übergehen. Ich fange gerade sogar wahrhaftig damit an, mir die Familie zu sein, die ich nie hatte. Okay…vielleicht nicht ganz alleine, mein drei vierbeinigen Gefährten darf und will ich in diesem Zusammenhang nicht verschweigen. Ein Großteil meiner Ängste, Zweifel, Trauer und Wut sind nach wie vor vorhanden und ich kann mir auch zum jetzigen Zeitpunkt nicht vorstellen, wie ein Leben ohne sie aussehen könnte. Das, was sich jedoch verändert hat, ist der Umgang mit ihnen. Ich übe, ihnen zuzuhören, sie ernst zu nehmen, ihnen einen Raum zu geben, sich mir zu präsentieren, versuche, sie liebevoll zurück in die Vergangenheit zu schicken und aus ihnen zu lernen. Heute, am 19.2.2022 bin ich in Sicherheit, ich bin erwachsen, ich kann und darf mich schützen, ich darf Grenzen haben und diese auch nach außen vertreten.

Fazit

ich bin immer wieder fasziniert, wenn ich mir vor Augen führe, was ich mit Hilfe der Therapie bei Carolyn schon alles erreicht habe. Wer, außer Carolyn, hätte gedacht, dass aus der „austherapierten Drama-Queen“, der „armen Irren“, der chronisch schwer Erkrankten wieder eine Kämpferin für das eigene Leben werden würde? Ich, wenn ich ehrlich bin, ganz bestimmt nicht. Natürlich war und ist es nicht immer einfach und manchmal würde ich auch heute noch gerne den Kopf in den Sand stecken. Ich durfte in den letzten eineinhalb Jahren jedoch die Erfahrung machen, dass es sowohl im Außen, als auch im Inneren möglich ist, sich der Macht der Täter zu widersetzen und ich glaube immer öfter, dass Carolyn mich so lange darauf aufmerksam machen wird, bis ich es für mich alleine erkennen kann.

Abschließend möchte ich jeden einzelnen ebenfalls betroffenen Leser dazu einladen, den Mut nicht zu verlieren und Carolyns Hilfe in Anspruch zu nehmen. Selbst, wenn ihr nicht detailliert beschreiben könnt, was in euch vorgeht. Carolyn nimmt sich die Zeit, genau das und noch viel mehr mit euch gemeinsam herauszufinden und das Unaussprechliche aussprechbar zu machen.

Über die Autorin

Sabrina L., 1985 im Herzen des Ruhrgebietes geboren, wuchs in Strukturen organisierter sexueller Gewalt auf. Ihrem Überlebensinstinkt hat sie es zu verdanken, dass sie 2005 ihr Abitur und 2008 ihr Examen zur Gesundheits – und Krankenpflegerin absolvierte. Nach einigen Schlüsselerlebnissen ging sie 2015 in die volle Erwerbsminderungsrente und fand 2020 den Mut, sich ihrer Lebensgeschichte zu stellen. Sie lebt gemeinsam mit ihren beiden Katzen und ihrem Hund in der Nähe des Rheins und hat es sich seit Anfang 2022 zur Aufgabe gemacht, anderen Betroffenen ein wenig ihrer Hoffnung zu schenken, indem sie begann, Teile ihrer Geschichte zu verschriftlichen.