Warum es den Deutschen so schwer fällt, zu erzählen, dass sie eine Therapie machen und warum in den USA fast jeder hingeht!

Das Verhältnis der Deutschen und der Amerikaner zur Psychotherapie

Fakt ist: Die Psychotherapie ist fester Bestandteil des amerikanischen Alltages. Der US-Journalist Scott Stossel formuliert, Psychotherapie sei ein Grundbestandteil des Mainstreams in der amerikanischen Medizinpraxis. Viele Millionen amerikanische Bürger gehen jede Woche zu ihrem Therapeuten und zahlen dafür jeweils mehrere tausend Dollar pro Jahr. Die Bereitschaft, für ein gutes seelisches Befinden zu sorgen, ist unter den Amerikanern seit Jahrzehnten groß. Therapie das normalste von der Welt. Und ganz selbstverständlich, dass eine Therapie das Mittel der Wahl ist, wenn es einem nicht gut geht oder man für eine schwierige emotionale Situation nicht selbst die Lösung findet.

Die Frage, die sich daraus ergibt: Warum sieht es in Deutschland (noch) anders aus? Warum ist es hier (immer noch) nicht völlig normal, dass man zum Therapeuten geht?

Ich als Therapeutin ärgere mich stets darüber, dass das deutsche Verhältnis zur Psychotherapie so oft und so viel von Scham geprägt ist. Gleichzeitig staune ich, wie viel an schlechter seelischer Verfassung die Deutschen bereit sind, mit sich herumzuschleppen und auszuhalten.

Die Amerikaner und die Psychotherapie

Eine junge Freundin von mir, die im Moment als Studentin zum wiederholten Mal für mehrere Monate in Amerika lebt, glaubt, dass wir uns auf mehreren Ebenen von den Amerikanern noch viel Lebensart abgucken können und das insbesondere auch im Umgang mit Therapie. Lynn Sophie hat mir letztens geschrieben: In der deutschen Gesellschaft wird es oft als lächerlich und schwach dargestellt. Hier im Gegensatz freuen sich die Leute, wenn sie hören, dass du diesen Schritt für dich gemacht hast. Ein `Hey, good for you` kommt dann oft. Und die Amerikaner meinen das tatsächlich so, schreibt Lynn Sophie. Sie meinen das ganz buchstäblich im Sinne von: gut für dich, dass du erkennst, was wichtig für dich ist und was du brauchst!

Wer in den USA keine Therapie macht, wird bedauert

Lynn Sophie, in typisch deutscher Manier, hat genau das Gegenteil dessen erlebt, was in Deutschland üblich ist. Zu Beginn ihrer Amerikazeit ist sie mit ihrer typisch deutschen Art eher unangenehm aufgefallen. Sie erzählt: Ich als Deutsche habe versucht, meine Probleme runter zu reden und kein großes Ding daraus zu machen. Bis ein Freund zu mir sagte: Lynn, why don’t you want to make the best out oft yourself that is possible?

Diesem Freund kann ich als Therapeutin nur uneingeschränkt zustimmen: Warum um alles in der Welt wollen die Deutschen das offenbar nicht??

Das seltsame Psychotherapie-Verständnis der Deutschen

An dieser Stelle und mit diesem einen einzigen Satz hat Lynn Sophies Freund den großen Unterschied im Verständnis der Deutschen und der Amerikaner in Bezug auf Therapien auf den Punkt gebracht. Denn ich erlebe an sehr vielen Punkten, in sehr vielen Gesprächen und bei vielen verschiedenen Gelegenheiten, dass jede Menge Menschen hier bei uns glauben und fest annehmen, eine Psychotherapie setze in jedem Fall eine psychische Erkrankung voraus. Wer zur Therapie geht, ist also psychisch krank.

Therapie nur für psychisch Kranke?

Was genau psychisch krank bedeutet, wird wohl kaum ein Laie medizinisch korrekt definieren können. Denn in der Tat ist die Grenze zwischen gesund, krank, normal, gestört etc. in den allermeisten Fällen ein ziemlich schmaler Grat und auch für Fachleute nur mit Bedacht zu ziehen. Im Umkehrschluss heißt das für dieses Verständnis fatalerweise aber auch: Eine Therapie braucht man auch nur dann, wenn man psychisch krank ist. Ausschließlich zur Behandlung ernsthafter, schwerer seelischer Erkrankungen ist ein Therapeut also nützlich, ausgebildet und einsetzbar.

Und die Wirklichkeit?

In Wirklichkeit ist diese Annahme total daneben. Natürlich sind nicht all die vielen Millionen Amerikaner seelisch ernsthaft krank. Und natürlich sind nicht alle Deutschen psychisch krank, die zum Therapeuten gehen. Und genauso wenig verstehe ich meine Rolle als Therapeutin ausschließlich als Behandlerin ernster psychischer Erkrankungen. Vielmehr sehe ich meine Aufgabe schon meilenweit vor dem Eintritt einer psychischen Erkrankung beginnend. Lynn Sophies Freund beschreibt das amerikanische Therapieverständnis in diesem einen, einzigen Satz perfekt. Eine Therapie hilft dabei, das Beste aus sich zu machen und das Beste aus sich herauszuholen.

Warum eine Therapie Sinn macht

Ich würde es so formulieren: Eine Therapie ermöglicht inneres Wachstum. Eine Therapie ermöglicht es, neue Welten zu erobern und neue Kräfte und Stärken an sich und in sich zu entdecken oder zu entwickeln. Es geht darum, alte Muster, die uns immer wieder einholen, loszulassen und neue Wege zu beschreiten. Es geht darum, glücklicher und zufriedener sein zu können. Und das schafft man eben oft nicht alleine, sondern nur mit Hilfe von außen. Und vor allem: dies ist der allerbeste denkbare Schutz davor, dass sich aus ungünstigen Mustern ernste seelische Probleme entwickeln. Denn die bedeuten dann eben am Ende auch eine ernste Diagnose.

Besser früher als später zur Therapie

Ich arbeite sehr gerne für alle und mit allen, die ein ernstes Problem haben – von Angststörungen über Depressionen bis hin zum Zwang. Aber ehrlich: Wäre es normaler und üblicher, schon beim Auftreten kleinerer Probleme zum Therapeuten zu gehen, bliebe vielen dieser Patienten sehr viel Leid erspart. Immerhin warten ja auch nicht alle bis zum Herzinfarkt und zur Intensivstation ab, sondern lassen ihren hohen Blutdruck und andere riskante Faktoren schon lange vorher vom Arzt behandeln.

Lynn Sophie hat mir geschrieben, eine Freundin von ihr gehe jetzt mit ihrem Freund zu einer Paartherapie. Sowas, schreibt sie, habe sie in Deutschland noch nie erlebt. Aber, es zeige, wie normal und wie selbstverständlich es in Amerika ist, sich Hilfe und Unterstützung beim Therapeuten zu holen!

Die ganze Diskussion mit Lynn Sophie um die amerikanische Lebensart und die deutsche ist überhaupt nur daran entbrannt, dass Lynn-Sophie sich in den USA genau aufgrund der anderen Atmosphäre sehr wohl und gut aufgehoben fühlt.

Was wir uns wünschen sollten

Lynn Sophie hat es total schön formuliert und auf den Punkt gebracht:

„Ich würde mir so wünschen, dass die Deutschen anfangen, sich besser zu behandeln und es sich vor allem wert sind, mit sich selbst glücklich zu sein, anstatt es als emotionalen Quatsch abzustempeln! Durch eine Therapie ist man mit sich im Reinen. Man lernt sich selbst besser kennen. Dadurch lernt man auch, zu leben. Zu leben, sich selbst zu lieben und das Leben zu genießen. Denn zu wissen, was gut für einen ist, gibt Lebensqualität“.

Die Therapeutin in mir jubelt bei diesen Sätzen (danke dir dafür, Lynn Sophie) und ich hoffe, sie machen vielen Menschen Mut, Kontakt zu einem (guten) Therapeuten aufzunehmen und in eine neue Lebensqualität zu starten.

In diesem Sinne: Wenn Sie Interesse an einem unverbindlichen Kennenlerngespräch haben, dann kontaktieren Sie mich per whats app oder telefonisch unter 0157-30969969 oder per mail HIER.

Warten Sie nicht, bis Ihre Seele auf der Intensivstation liegt!

Danke, liebe Lynn Sophie, dass ich dein Foto verwenden darf!